CD-Kritik
Im Kulturradio von Bernhard Morbach:
Kunstvoll ohne Künstlichkeit
Die klangliche Konfiguration des Ensembles und die Spiel- bzw. Singweise der InterpretInnen korrespondieren vorzüglich mit den Kompositionen.
Im Zusammenhang mit der deutschen Liedkunst um 1600 habe ich einmal den schönen Topos »Die hohe Kunst« des Einfachen« gelesen.
Im Repertoire der vorliegenden CD und dessen eindrücklicher Interpretation
verwirklicht sich die besondere „hohe Kunst des Einfachen“ in vieler Hinsicht.
Wer Weihnachtmusik sucht, die bei uns in aller Ohren und Sinne ist, wird eher enttäuscht sein; aber solches verspricht der Titel ja auch nicht. Natürlich findet sich auch direkt Weihnachtliches auf der CD, jedoch aus territorial und historisch entlegenen Regionen der europäischen Musikgeschichte. Und dieses ist ergänzt durch geistliche Musik, der man nur eine Annäherung an das Mysterium der Geburt bescheinigen kann, etwa ein wunderbares Marienlied des 13. Jahrhunderts aus dem katalanischen Kloster Montserrat. Insgesamt ist die Auswahl sehr geschmackvoll und es ergibt sich insgesamt ein sehr stimmungsvolles Gesamtbild voller interessanter Kontraste, das man durchaus für das Erwecken von Weihnachtsgefühlen instrumentalisieren kann – aber nicht muss!
Alte Musik vs. Neue Musik
Es entspricht einem Trend der Zeit, solche Kontraste zu wagen. Aber dies kann nur dann funktionieren, wenn die jeweilige Neue Musik ein gewisses Maß an tonaler Bodenhaftung aufweist und wenn sie mit den historischen Instrumenten (insofern sie auf solchen gespielt werden soll) kompositorisch-klanglich korrespondiert. Wie in vielen CDs mit ähnlichen Grenzgängen, haben auch in der vorliegenden die Komponisten diesem Ensemble ihre neue Musik geradezu auf den Leib geschneidert. Die Korrespondenz alt-neu funktioniert hier auf geradezu idealtypische Weise, was vielleicht auch dem Umstand geschuldet ist, dass aus dem Bereich der Alten Musik (zumeist) völlig neu wieder entdecktes »Material« angeboten wird. Im Grunde begegnen hier als schlicht zwei unterschiedliche »Spielarten« der Neuen Musik einander.
Man kann nur hoffen, dass in Zukunft immer mehr Ensembles solche Wege beschreiten.